(Un)filtered Reflections
Die Foundation d’entreprise Hermès hat eingeladen, nicht nur Halstücher und Handtaschen (wobei das auch hohe Kunst sein kann!), anzuschauen, sondern auch Werke der japanischen Künstlerin Noriko Ambe anzusehen.
Ich war mit einer Freundin dort und wir haben anfangs nicht verstanden, worum es geht. Auf dem ersten Blick haben wir eine Menge Papierschnipsel vorgefunden, aber dann lichtete sich das Feld: Noriko, die auch bereits im MoMA in New York ausstellte, hat mit Schülern aus Singapur ein Projekt erarbeitet, in dem diese Schüler ihr Bücher und Zeitschriften, die mit dem Schulunterricht zusammenhängen, überlassen haben. Dazu gab es Informationen für die Künstlerin, wie die Schüler zu dem jeweiligen Unterricht stehen. „Die jungen Leute im Alter von 13 bis 18 Jahren haben nur noch ihren Schulabschluss im Kopf und dann haben sie noch so viel sich selbst zu tun, weil sie in der Pubertät sind. Das ist wirklich keine einfache Zeit.”, erklärt die Japanerin und erzählt auch gleich einige der Geschichten, die die Ausstellungsobjekte haben entstehen lassen. Damit erklärt sich auch der Titel der Ausstellung, „(Un)gefilterte Reflexionen“.
Hier hat ein Schüler gemeint, dass der Mathematikunterricht unerträglich sei. „Vernichte es einfach”, war sein Kommentar dazu. Also hat die Papierkünstlerin die Seiten geschreddert und kunstvoll wieder zusammengesetzt. Daraufhin haben wir uns mit einem anderen Blick erneut umgesehen und unsere eigenen Gedanken gemacht. Sind die verschnürten Pakete entstanden, weil der Abschluss kurz bevorsteht? Sieht das eine aus wie eine Schultüte, weil es jetzt erst richtig losgeht?
Wir hatten wirklich viel zu tun bei dieser Ausstellungseröffnung und haben uns Geschichten ausgedacht, die in Wirklichkeit wohl ganz anders sind. Aber es war eine tolle Erkenntnis, vom anfänglichen ‚was sollen diese gelöcherten Buchseiten‘ zu einem ,findet der Musikunterricht wirklich so schlimm?‘ zu wechseln.
Ich befürchte, dass die wirklichen Erklärungen gar nicht so spektakulär sind, wie unsere Phantasie uns vormachen wollte. Darum sollte man die Wahrheit besser gar nicht erst erfahren, sie könnte sehr ernüchternd sein.